Page 69 - Nachhaltigkeitsmagazin 2020
P. 69
Nachhaltigkeitsmagazin 2020
„MUSIK ZU HÖREN,
SIE LIVE ZU ERLEBEN
UND SELBST ZU Wie sind Sie mit der drohenden Absage wegen der CO-
VID-19-Pandemie umgegangen? Was hat Sie ermutigt,
SPIELEN, BEDEUTET es doch zu versuchen?
Besonderen Herausforderungen mit einer gewissen stoi-
FÜR MICH PURES schen Gelassenheit zu begegnen, gehört wahrscheinlich
GLÜCK.“ zu einer meiner Charaktereigenschaften. Es gibt dann aber
durchaus auch Meinungen, die das Wort „stoisch“ durch
„störrisch“ ersetzen würden.
burtstag umfassend würdigen, unter anderem mit Beetho- Wie auch immer: Für mich hätte es nur einen Grund gege-
vens 1. Sinfonie, gespielt vom Wiener Jeunesse Orchester ben, den Carinthischen Sommer 2020 nicht statt nden zu
zur Festivalerö nung, mit Rudolf Buchbinder als einem der lassen. Und dieser wäre gewesen, wenn die Rahmenbedin-
bedeutendsten Beethoven-Interpreten am Klavier oder als gungen bzw. die gesetzlichen Verordnungen ein Festival
besonderes Highlight Beethovens 9. Sinfonie mit Prisma unmöglich gemacht hätten und mir beim besten Willen
Wien auf historischen Instrumenten. nichts mehr eingefallen wäre.
„Feuertrunken“ lautete das diesjährige Motto des Wird die Pandemie den Kulturbetrieb im Allgemeinen
Festivals. Wie kamen Sie darauf? in den kommenden Jahren verändern oder wird sie
Beethovens ausgeprägte A nität zur Aufklärung und rückwirkend als einmalige, unangenehme Episode in
zu den Idealen der französischen Revolution – Freiheit, die Geschichte eingehen?
Gleichheit, Brüderlichkeit – ist bekannt. In seiner 9. Sinfonie Die COVID-19-Pandemie hat bereits jetzt unsere Welt
vertonte er im vierten Satz Friedrich Schillers Ode „An die grundlegend verändert. Niemand hätte sich vor einem
Freude“, die ursprünglich gar, wie Konrad Paul Liessmann Jahr und sogar noch im Jänner 2020 vorstellen können,
in seiner Festrede zur Festivalerö nung des Carinthischen dass ein Virus unsere gesamte Wirtschaft, unser gesamtes
Sommers ausführte, ein Trink- und Sau ied sei. So ändern gesellschaftliches Leben, unseren Umgang miteinander
sich nicht nur die Zeiten, sondern auch Bedeutungen, so grundlegend ändern könnte. Wir werden lernen, damit
Deutungen und Perspektiven. umzugehen. –>
Ein Festivalmotto ist für mich immer die Initialzündung
für eine Spielzeit, sie liefert den dramaturgischen Faden
und häu g auch die gesellschaftspolitische Botschaft der
Saison. Das Wort „feuertrunken“ ist eine höchst originelle
Wortschöpfung Schillers. Sie ist impulsiv, ausdrucksstark
und in ihrer Bedeutung vielfältig. „Feuertrunken“ war somit
das perfekte Festivalmotto 2020.
69